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Kann sich der Stoffwechsel erholen?

In diesem Artikel erfährst du, ob sich der Stoffwechsel nach dem Abnehmen erholen kann.



Contentwarnung: in diesem Artikel werden Zahlen genannt (reduzierter Kalorien/Energieverbrauch durch Abnehmversuche, Änderung des Körpergewichtes in kg), er spiegelt daher nicht immer die gewichtsneutrale Perspektive wider.


Fast jede:r der/die schon mal versucht hat abzunehmen, hat die Erfahrung gemacht, dass das (zumindest zu Beginn) relativ leicht geht. Was die größte Herausforderung darstellt, ist das Halten des reduzierten Körpergewichtes. Die Statistik ist sehr eindeutig, dass das ein kollektives Vorkommen ist:


  • 80-95 % (das sind 8/10 Personen bis zu 19/20! Personen) nehmen das abgenommene Gewicht innerhalb von 2-5 Jahren wieder zu (Miller., 1999; Fildes et al., 2015; Hall et al., 2019)

  • Jene wenige Personen, die das Gewicht langfristig halten, müssen das Ess- und Bewegungsverhalten ihr Leben lang kontrollieren (Wing & Hill, 2001)

  • 1/3 bis 2/3 Menschen wiegen nach dem Abnehmversuch mehr als davor (Mann et al., 2007)


Eine dicke Person, die abgenommen hat, braucht im Schnitt 300-400 Kalorien weniger, wie eine Person mit gleicher Körperzusammensetzung und gleichem Aktivitätslevel, die nie dick war.

Gehen wir der dahinter liegenden Biologie ein bisschen genauer auf den Grund.


-10% vom Körpergewicht bedeuten -25% Stoffwechsel

Eine Gewichtsreduktion von 10% des Körpergewichtes geht mit einem verringerten Stoffwechsel (24h Ruhe-Energieverbrauch) von 20-25% einher. Eine dicke Person, die abgenommen hat, braucht im Schnitt 300-400 Kalorien weniger, wie eine Person mit gleicher Körperzusammensetzung und gleichem Aktivitätslevel, die nie dick war. (Rosenbaum & Leibel, 2010) Im Fachbegriff nennt sich das „Metabolische Adaptierung“ oder „Adaptive Thermogenese“. Meistens wird der Ruhe-Energieverbrauch mit sogenannter Indirekten Kalorimetrie (= Atemgasanalyse) gemessen.


Generell ist die Datenlage sehr mager. Es gibt kaum Langzeitstudien und wenig Studien mit größerer Studienpopulation oder Kontrollgruppen. In einer interessanten Langzeitstudie wurden Teilnehmer:innen von The Biggest Loser begleitet:


Bleibende Reduktion?

Die Teilnehmer:innen wogen vor der Show im Schnitt 148,9 kg und hatten einen 24h-Energieverbrauch von 2600 Kalorien. Nach 30 Wochen wogen sie im Durchschnitt nur mehr 90kg, der Stoffwechsel reduzierte sich auf 2000 Kalorien. Nach 6 Jahren war das Durchschnittgewicht wieder auf 132kg gestiegen, der Kalorienverbrauch sank allerdings im Durchschnitt noch weiter auf 1900 Kalorien. Zwischen den einzelnen Personen gab es große Unterschiede. (Fothergill et al., 2016)


Die Datenlage anderer Studien zu verringertem Stoffwechsel nach der Gewichtsabnahme ist sehr inkonsistent – in einem Review stellten viele (27/33) einen reduzierten Stoffwechsel während der Abnahme fest, aber nur manche berichteten von einem anhaltenden reduzierten Stoffwechsel nach der neuerlichen Gewichtszunahme. Auch hier gab es zwischen den einzelnen Proband:innen große Unterschiede. (Nunes et al., 2022)


Daten aus dem Minnesota Semistarvation Experiment

Das klassische Minnesota Semistarvation Experiment* zeigte, dass die Erholung des Stoffwechsels während der Zunahme unterdrückt blieb, wenn die Probanden daran gehindert wurden, über das Ausgangsniveau (Energiezufuhr vor dem Experiment) hinaus zu essen. Erst das darüber hinaus essen wurde mit einer Anpassung des Stoffwechsels in Verbindung gebracht. Das heißt, wenn die Probanden des Minnesota-Experiments so viel essen konnten, wie sie wollten, schien der Stoffwechsel wieder anzusteigen. Wie viel zum Messzeitpunkt gegessen wird, scheint das Ergebnis stark zu beeinflussen. (Fothergill et al., 2016) (Keys et al, 1950) Die Studie ist möglicherweise nicht verallgemeinerbar.


*36 gesunde Männer bekamen sechs Monate lang nur 50% ihres Energiebedarfs, das waren im Durchschnitt knapp 1500 Kalorien. Sie entwickelten viele Symptome, die wir von Essstörungen kennen.


Ein Grund, warum der Stoffwechsel mit mehr Essen hochfährt, ist auch das UCP (uncoupling protein). Manche Menschen haben mehr davon als andere. Das könnte ein wichtiger Faktor sein, warum manche schneller zunehmen als andere.

Der anhaltende Langzeit-Gewichtsverlust liegt bei der Langzeit Biggest Loser Studie trotz sehr restriktiver Maßnahmen bei knapp -11%. Es lagen keine Daten zu gesundheitsförderndem Verhalten oder weiteren ergriffenen Maßnahmen zur Gewichtsreduktion vor.


Diese Zahl deckt sich mit vielen Metaanalysen, die allesamt ein ähnliches Ergebnis von erfolgreichem Gewichtsverlust voraussagen: anhaltender Gewichtsverlust ist bei den wenigen, die nicht wieder zunehmen, nur bis ungefähr -10% des Ausgangsgewichtes möglich. Aus diesem Grund gibt es entgegen den gesellschaftlichen Glaubenssätzen starken Konsens (darunter auch die WHO!), dass (in der gewichtszentrierten Perspektive!) vorsätzlicher Gewichtsverlust nur bis -10% des Ausgangsgewichtes - und nicht bis BMI N*rmalgewicht - angestrebt werden sollte. (Puhl & Heuer, 2009) (Provincial Health Services Authority, 2013)


Also: Stoffwechsel-Erholung ja oder nein?

Jein. Es scheint so, als wäre Gewichtsreduktion meistens mit einer Einbuße des Stoffwechsels verbunden. In manchen Fällen ist dieser reduzierte Stoffwechsel wieder adaptierbar, wenn mehr gegessen wird und das Körpergewicht wieder ansteigt. Im Fall der Biggest Loser Studie fehlen einige verhaltensbezogene Daten, dennoch deckt sich das Ergebnis des reduzierten Körpergewichtes von ~ -10% mit einem Stoffwechsel-Einbußen von knapp 25%.


Die Datenlage unterscheidet sich zwischen den einzelnen Proband:innen sehr stark. Wahrscheinlich gibt es einen starken metabolischen Widerstand gegen eine dauerhafte Gewichtsreduktion, der vom ganzen System Körper biologisch gesteuert wird und den Energiespeicher (= Fettmasse) stabil halten soll.


Der Jojo-Effekt und die weitere Gewichtszunahme lassen sich biologisch unter anderem auch durch eine Dysbalance des Leptin-Haushalts (mehr Hunger, weniger Sättigung) erklären, aber auch durch eine Veränderung der Schilddrüsenhormone. Die Schilddrüse erholt sich in vielen Fällen, kann durch Diätverhalten aber auch langfristig geschädigt werden. Überessen erhöht den Stoffwechsel bei jenen, deren UCP darauf ausreichend reagiert, kann aber auch gleichzeitig zu einer weiteren Gewichtszunahme führen.


Was sagt die gewichtsneutrale Perspektive dazu?

Aus anderen Studien wissen wir, dass sich die Körperzusammensetzung mit Abnehmversuchen ändert. Beim Abnehmen wird oftmals Muskelmasse abgebaut, beim Zunehmen wird eher Fettmasse aufgebaut („Fat Overshooting“). Dadurch könnte auch ein Teil des anhaltenden reduzierten Stoffwechsels erklärt werden.


Selbst wenn wir wissen, dass Gewichtsreduktion in den meisten Fällen nur bis -10% aufrechterhalten werden kann, würde ich dennoch keine vorsätzliche Gewichtsreduktion empfehlen. Aus folgenden Gründen:


  • In keiner von 31 randomisierten Kontrollstudien konnte durch Abnehmen eine Reduktion der Gesamtsterblichkeit festgestellt werden (Gaesser, 2021)

  • Gewichtsschwankungen (Jojo-Effekt / Weight Cycling) sind sehr wahrscheinlich und erhöhen das Risiko für sämtliche Erkrankungen, die allein dem Körpergewicht zugeschrieben werden (Herz-Kreislauf-System, Fettstoffwechselstörung, Diabetes Typ 2,…). (Provincial Health Services Authority, 2013)

  • DasWeight Cycling erhöht die Gesamtsterblichkeit. (Gaesser, 2021)


Aus gewichtsneutralen Studien wissen wir, dass Körpergewicht beinahe bedeutungslos ist, wenn sich eine Person gesundheitsfördernd verhält. (Gaesser, 2021) (Matheson et al., 2012)

Durch den Aufbau und Erhalt von gesundheitsförderndem Verhalten kann der Körper sein Sollgewicht von selbst finden. Eine Gewichtsreduktion kann als Nebenwirkung auftreten und ist dann nachhaltiger, als eine vorsätzliche Gewichtsreduktion.



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Quellen

Fildes A, Charlton J, Rudisill C, Littlejohns P, Prevost AT, Gulliford MC. Probability of an Obese Person Attaining Normal Body Weight: Cohort Study Using Electronic Health Records. Am J Public Health. 2015 Sep;105(9):e54-9.


Fothergill E, Guo J, Howard L, Kerns JC, Knuth ND, Brychta R, Chen KY, Skarulis MC, Walter M, Walter PJ, Hall KD. Persistent metabolic adaptation 6 years after "The Biggest Loser" competition. Obesity (Silver Spring). 2016 Aug;24(8):1612-9. doi: 10.1002/oby.21538. Epub 2016 May 2. PMID: 27136388; PMCID: PMC4989512.


Gaesser GA, Angadi SS. Obesity treatment: Weight loss versus increasing fitness and physical activity for reducing health risks. iScience. 2021 Sep 20;24(10):102995.


Hall KD, Kahan S. Maintenance of Lost Weight and Long-Term Management of Obesity. Med Clin North Am. 2018 Jan;102(1):183-197.


Keys, A., Brozek, J., Henshel, A., Mickelson, O., & Taylor, H.L. (1950). The biology of human starvation, (Vols. 1–2). Minneapolis, MN: University of Minnesota Press


Mann T, Tomiyama AJ, Westling E, Lew AM, Samuels B, Chatman J. Medicare's search for effective obesity treatments: diets are not the answer. Am Psychol. 2007 Apr;62(3):220-33.


Matheson EM, King DE, Everett CJ. Healthy lifestyle habits and mortality in overweight and obese individuals. J Am Board Fam Med. 2012 Jan-Feb;25(1):9-15.


Miller WC. How effective are traditional dietary and exercise interventions for weight loss? Med Sci Sports Exerc. 1999 Aug;31(8):1129-34.


Nunes, C., Casanova, N., Francisco, R., Bosy-Westphal, A., Hopkins, M., Sardinha, L., & Silva, A. (2022). Does adaptive thermogenesis occur after weight loss in adults? A systematic review. British Journal of Nutrition, 127(3), 451-469. doi:10.1017/S0007114521001094


Provincial Health Services Authority. (2013). From Weight to Well-Being: Time for a Shift in Paradigms? http://www.phsa.ca/


Rosenbaum M, Leibel RL. Adaptive thermogenesis in humans. Int J Obes (Lond). 2010 Oct;34 Suppl 1(0 1):S47-55. doi: 10.1038/ijo.2010.184. PMID: 20935667; PMCID: PMC3673773.


Wing RR, Hill JO. Successful weight loss maintenance. Annu Rev Nutr. 2001;21:323-41. doi: 10.1146/annurev.nutr.21.1.323. PMID: 11375440.

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